Du bist laut geworden, obwohl Du ruhig bleiben wolltest? Du wolltest deinen Gesprächspartner nur noch überzeugen, statt seine Position zu verstehen und einzubeziehen? Du hast Dich abgewandt, anstatt Dich einem Problem zu stellen? Jetzt fragst Du Dich, warum Du nicht anders gehandelt hast und machst Dir vielleicht Vorwürfe. Selbstannahme bedeutet, etwas an uns wogegen wir in Widerstand sind, als Teil von uns zu akzeptieren.
In der Rückschau zu einer Situation kannst Du Dir womöglich überlegen, wie Du Dich hättest verhalten wollen um mehr ins Außen zu bringen was bereits in Dir ist. Zumindest unterbewusst wissen wir, wie wir uns in bestimmten Situationen verhalten möchten und wie nicht. Wir haben ein Gespür dafür, ob wir uns mit einer Reaktion noch im Rahmen dessen bewegen, wie wir als Mensch sein möchten oder nicht.
Regulierung über Dritte als Ausweichreflex
In uns kann es dabei auch einen Teil geben, der Selbstannahme über das Außen regulieren will. Selbstannahme kann nämlich leichter fallen, wenn wir im Außen angenommen werden oder von Dritten bestätigt bekommen in gesellschaftlich akzeptablen Rahmen gehandelt zu haben. Gleichzeitig liegt die größte Herausforderung der Selbstannahme gerade in den Momenten, in denen wir eben NICHT dem Bild vom Selbst entsprechen, das wir sein wollen. Wir arbeiten vielleicht stetig und hart an uns, weniger anzuecken und versuchen, Selbstannahme zu erreichen indem wir im Außen keine bzw. so wenig Reibung wie möglich erzeugen. Wenn wir das tun, befassen wir uns intensiv damit, unseren Charakter an einem bestimmten gesellschaftlichen oder in uns bestehenden Bild zu perfektionieren. Die Kompetenz so an uns zu arbeiten und weniger Reibung im Außen zu erzeugen ist wertvoll. Sie erlaubt Reflexion und damit auch die Entwicklung des Selbst. Aber, erst wenn wir etwas so richtig verbocken und uns das bewusst ist, können wir sehen, ob wir uns wirklich annehmen können. Die beste Übung für Selbstannahme ist, wenn ein Verhalten dass Du an Dir selber beobachtest in starkem Widerspruch zu deinen Werten und deiner Vorstellung davon ist, wie Du wahrgenommen werden willst.
Achtung: Der Weg zur Selbstannahme, führt NICHT über die Optimierung oder Perfektionierung unseres Selbst. Selbstannahme bedeutet nicht, die ganze Zeit so perfekt zu sein, dass wir gar nicht mehr in die Verlegenheit kommen, etwas an uns akzeptieren zu müssen, was uns nicht so gefällt. Wenn wir nur das in uns annehmen können, was im Außen keine Reibung mehr erzeugt, sind wir nicht in der Selbstannahme. In die Selbstannahme kommen wir, wenn wir auch das da sein lassen können, was vielleicht provoziert und triggert.
Wie sehr wir uns zugewandt sind, zeigt sich, wenn die Dinge nicht rund laufen: Wenn wir in einem Wertekonflikt nicht so handeln können, dass wir unseren Werten gerecht werden. Wenn wir zum Beispiel gereizt und ungeduldig sind, wo wir zugewandt und in uns ruhend sein wollen. Vielleicht auch eine Situation, wo wir wütend werden, und gleichzeitig eigentlich Verständnis zeigen wollen. Wir erfahren diesen Konflikt vielleicht in Momenten, in denen wir uns in eigenen Verletzungen verlieren anstatt für uns einzustehen. Momente in denen wir es vielleicht nicht schaffen, die Resilienz und Stärke zu demonstrieren, die wir unserem Charakter zuschreiben möchten.
Der innere Weg
Es in gewisser Weise counter-intuitiv, dass wir uns selber in all unserer Unperfektion annehmen müssen, um erreichen zu können, als Mensch im Ganzen liebenswert zu sein.
Momente, in denen wir nach unserer Wahrnehmung nicht so toll gehandelt haben, zeigen uns, wie weit wir in der Selbstannahme sind. Wir können vielleicht anerkennen, dass wir genauso gehandelt haben, wie es uns in diesem Moment möglich war. Hätten wir mehr Kraft für eine andere Handlung oder Reaktion gehabt oder eine andere Lösung gesehen dann hätten wir das getan. Auch wenn unsere Kraft an der Stelle nur knapp nicht gereicht hat, bleibt das Ergebnis gleich, sie hat nicht gereicht. Wir haben so gehandelt, wie es uns eben möglich war.
Schaffst Du es in einem solchen Moment liebevoll auf Dich zu schauen und anzuerkennen, dass Du in dem Moment dein Bestes gegeben hast, selbst wenn Du in der Zukunft gerne anders reagieren möchtest?